34 Teilnehmer machen sich bereit. Aufgrund des Wetters haben einige Gentlemen Jacken über ihre Anzüge gezogen.
Bonn · Bei der Veranstaltung "The Distinguished Gentleman's Ride" fuhren 34 Motorradfahrer am Sonntag quer durch Bonn - ganz schick im Anzug. Dass die Herren so adrett durch die Stadt touren, hat einen ernsten Hintergrund. Worauf sie genau aufmerksam machen wollen, haben die Gentlemen vor ihrer Tour erzählt.
Warum fährt man(n) im Anzug Motorrad? Diese Frage haben sich am Sonntagmittag sicher viele Passanten im Bonner Stadtgebiet gestellt, als sie einer Kolonne Motorradfahrer im feinen Anzug begegnet waren. Die Antwort auf die zunächst kuriose Erscheinung ist eine ernste: Die schicken Herren wollen durch diese Tour auf die Gesundheit von Männern aufmerksam machen – im Rahmen der weltweiten Aktion „The Distinguished Gentleman’s Ride“. Seit 2012 schwingen sich Männer mit Schlips und Kragen auf ihre Maschinen in vielen Städten rund um den Globus und haben so in Partnerschaft mit der Wohltätigkeitsorganisation Movember bereits umgerechnet über 50 Millionen Dollar Spenden für die Behandlung von Prostatakrebs sowie Projekte zur psychischen Gesundheit von Männern gesammelt.
Bereits zum zweiten Mal hat Veranstalter Thomas Obuhov gemeinsam mit seinem Kollegen David Forkel das Event auch in Bonn initiiert. Denn den 27-Jährigen hat das Projekt auch auf persönlicher Ebene bewegt. Im familiären und privaten Umfeld kennt er diese gesundheitlichen Probleme: „Ich möchte auf die Botschaft der Veranstaltung aufmerksam machen: Prostatakrebs und Suizid sind Themen, über die man eigentlich nicht spricht“, dabei seien Vorsorgeuntersuchungen wichtig für jeden, ebenso wie das Thema psychische Gesundheit: „Depression ist eine Weltkrankheit geworden. Das zu behandeln ist auch Suizidprävention“, stellt er klar.
Daneben ist dem leidenschaftlichen Motorradfahrer noch etwas wichtig: „Wir fahren klassische Motorräder im klassischen Stil und wollen so zeigen, dass Motorradfahren auch positiv wahrgenommen werden kann“, man wolle sich klar von Lärm und dem Klischee-Rocker distanzieren. Das kommt auch bei den Teilnehmern gut an: „Es heißt oft ‚Mopedfahrer, das sind Rabauken. Wir zeigen, dass es anders ist“, stellt Dr. Heinrich Walle aus Hardtberg klar und ergänzt: „Wenn man in so einer großen Gruppe 26 Kilometer unfallfrei fährt, zeigt das, dass alle sehr diszipliniert und verantwortungsvoll mit ihrem Hobby umgehen.“ Der promovierte Militärhistoriker und ehemalige Marineoffizier ist zum ersten Mal dabei und mit seinen 82 Jahren der Älteste am Start. Er fährt seit 60 Jahren Vespa, aktuell seit 35 Jahren seine Vespa Cosa, und betont, dass die Aktion auch auf anderer sozialer Ebene wichtig sei: „Ich genieße hier das Wir-Gefühl. Und wenn man das mit dem guten Zweck verbinden kann, ist das der Clou.“ Der Gentleman’s Ride ist praktisch für jeden etwas - Frauen sind natürlich auch willkommen. Und die nächste Generation Biker ist auch schon dabei: Der elfjährige Paul Thiele aus Sankt Augustin ist als Beifahrer mit seinem Vater Peter dabei und möchte später einmal selbstständig mitfahren.
Erfahren im Gentleman’s Ride ist dagegen Tom Korn aus dem hessischen Haigar mit seiner roten Royal Enfield Continental GT 535. Er war letztes Jahr mit seinem Freund Andreas „Zeem“ Simon zusammen durch Bonn gefahren. Beide verband die Leidenschaft zum Motorrad: „Das ist was individuelles. Ich kann mein Bike gestalten, wie ich will und es ist toll, beim Fahren die Natur zu genießen“, erklärt der 63-Jährige. Dieses Jahr ist er alleine da – aus traurigem Grund: „Zeem ist leider kurz nach unserer Tour verstorben. Er litt unter anderem an Prostatakrebs“, berichtet er und ergänzt: „Ich bin zu seinem Ehren heute wieder dabei.“ Auch deshalb hat er von allen Teilnehmern die meisten Spendengelder gesammelt. Doch Männergesundheit liegt ihm noch aus anderem Grund am Herzen: Korn ist seit 40 Jahren Krankenpfleger, seit sieben Jahren in einer psychosomatischen Klinik im hessischen Herborn. Er weiß aus Erfahrung, dass viele nicht über das Ausmaß von Suizidalität informiert seien. Das Tabuisieren von psychischen Erkrankungen und die fehlende Bereitschaft, zu Vorsorgeuntersuchungen bezüglich Krebs zu gehen, seien Probleme, die mehr in den Fokus müssten: „Ich wünsche mir viel mehr Prävention in unserem Gesundheitssystem.“ Dafür haben die 34 Fahrer insgesamt 3425 Euro gesammelt und machen mit ihrem Gentleman’s Ride von Beuel aus bis nach Königswinter auf sich und die Gesundheit von Männern aufmerksam.